Wenn wir bei Flatberry auf Reisen durch die Welt des Kaffees gehen (in Gedanken und beim Geschmack), dann stolpern wir oft über ein faszinierendes, fast poetisches Phänomen: den Einfluss von Luftströmungen – kalter und warmer – auf die Reifung und den Geschmack der Bohne. Klingt dramatisch? Ist es auch. Aber in ihm steckt echte Magie.
Warum wir überhaupt über Luft reden
Bevor wir zur Magie kommen: Kaffee wächst in tropischen oder subtropischen Regionen und in den Hochlagen ist das Klima oft geprägt von Tag- und Nachttemperaturen, Passatwinden, Bergabströmungen oder Nebel, die entlang von Hängen gleiten. Diese Luftbewegungen beeinflussen das Mikro-Klima, Feuchte, Sonneneinstrahlung und damit die Bedingungen, unter denen die Kaffeekirsche reift.
Und wenn sich das Wachstum der Kirsche ändert – z. B. die Geschwindigkeit oder der Stress, den der Pflanze das Klima auferlegt –, dann reagiert die Biochemie: Zuckerbildung, Säureprofile, Aromavorläufer – all das kann anders ausfallen.
Also: Wind + Temperatur = Mikroklima. Und Mikroklima = Geschmack.
Kalte Luftströme: Ruhe, Pause, Konzentration
Stell dir vor, in den Nächten an einem Berghang bricht die Temperatur rasch ein. Die Luft, die zuvor den Hang hinaufgezogen wurde, kehrt um und fließt bergab, kühlt sich ab, sammelt sich in Tälern. Diese Abkühlung bringt eine „Pause“ im Stoffwechsel der Pflanze:
- Die Photosynthese verlangsamt sich bei kühleren Temperaturen, die Stomata (Blattöffnungen) schließen sich mehr – das heißt, weniger Wasserdampf geht verloren, weniger Nachernährung aus dem Boden wird aufgenommen.
- Die Reifung der Kirschen verlangsamt sich, was der Pflanze gelegentlich die Zeit gibt, aromatische Verbindungen sorgfältiger zu entwickeln. Eine „Stretch-Phase“ sozusagen, in der statt Quantität mehr Qualität wächst.
- Kombiniert mit klarer, kühler Luft und wenig Schimmelrisiko: Die Pflanze wird weniger von pathogenen Mikroorganismen attackiert, was stabilere Biochemie erlaubt.
In Worten: kalte Strömungen bringen eine Art Entschleunigung und Konzentration im Reifungsprozess.
Warme Luftströme: Energie, Wachstum, Risiko
Wenn hingegen warme Luft den Hang hinauf steigt oder tagsüber Hänge erwärmt, passiert das Gegenteil:
- Die Photosynthese läuft auf Hochtouren, Wasser und Nährstoffe werden rasch transportiert, Zucker und andere Metabolite werden schneller gebildet.
- Die Fruchtreifung beschleunigt sich – manchmal zu schnell für feine Aromabildung. Zu hastige Reife kann dazu führen, dass fruchtige Frische und Säure zu wenig Zeit haben, sich auszuprägen.
- Höhere Temperaturen können Schattenwirkung verstärken oder das Risiko für Hitze-Stress und Feuchtigkeitsstress erhöhen – dann kann die Pflanze mehr „Verteidigungsstoffe“ bilden (z. B. Phenole), was sich im Geschmack in bitteren oder adstringierenden Noten zeigen kann.
Also: warme Strömungen bringen Spannung, Energie und auch das Potenzial für Überreife oder Stress.
Die magische Balance: Wind als Dirigent
Für uns bei Flatberry ist der spannendste Teil: wie ein richtiger Kaffeeproduzent Windströme, Höhe, Ausrichtung des Hanggeländes und Temperaturgradienten nutzt, um ein harmonisches Reifungsprofil zu schaffen. Man kann sich vorstellen:
- Morgendliche kalte Bergwinde, die das Mikroklima beruhigen und dafür sorgen, dass die Pflanzen nach Nächten auskühlen und sich regenerieren.
- Mittags-Sonneneinstrahlung, gepaart mit leichter Warmluft, die das Wachstum stimuliert, aber nicht übertreibt.
- Abendliche Hangab-Ströme, die die Wärme abziehen und die Pflanzen wieder abkühlenlassen.
In optimaler Form entsteht ein Reifezyklus, bei dem die Bohne nicht hetzt, aber doch genug Energie bekommt, um komplexe Aromen – Frucht, florale Noten, Säuren, Zucker – auszubilden.
Wenn das gelingt, dann kann eine Bohne später in der Röstung das volle Potenzial entfalten: eine ausgeglichene Süße, klare Fruchtnoten, ausgewogene Säure und Tiefe im Körper.
Ein Blick auf unsere Praxis bei Flatberry
Wir wollen bei Flatberry nicht nur träumen, wir wollen verstehen und verkosten. Wir schauen uns in den Profilen unserer Kaffees immer das Herkunftsgebiet an – wir achten auf Höhenlage, Ausrichtung, durchschnittliche Tag- und Nachttemperatur und mögliche Windverhältnisse.
Ein Beispiel: Unsere Red Catuai-Bohnen sind unter anderem für ihre gleichmäßige Reifung bekannt – das bedeutet (unter anderem), dass sie in Regionen mit relativ stabilen Mikroklimata und vermutlich moderaten Luft- und Temperaturströmen wachsen.
Dass wir auf biologischen Anbau, Transparenz und Herkunft setzen, heißt auch: wir möchten wissen, wie solche Umgebungsbedingungen gestaltet sind, damit wir ihren Einfluss im Rösten und im Geschmack nachvollziehen können.
Wenn wir dann in unserer Rösterei die Trommelröstung einsetzen, achten wir darauf, wie Ausmaß und Tempo der Hitzezufuhr mit dem Bohnenprofil harmonieren – denn die Reifungsbedingungen haben bereits eine „Vorprägung“ gelegt, die wir nicht ignorieren dürfen.
Für uns ist das ein Teil der Faszination von Specialty Coffee: Wir arbeiten nicht nur mit Bohnen, sondern mit Landschaft, Klima und Luft. Und manchmal flüstert uns der Wind, was eine Bohne in sich tragen könnte, wenn man sie richtig behandelt.
Wenn du also beim nächsten Schluck das Gefühl hast: „Hier schmecke ich Höhenluft, Frucht, Süße, Tiefe“, dann, ja — du hast ein bisschen Windmagie im Mund.